Viele Unternehmen stehen vor der Frage, ob sie ihre Projekte besser nach dem klassischen Wasserfallmodell oder besser agil durchführen sollen. Agile Methoden wie Scrum oder Kanban bieten mehr Flexibilität, haben aber den Nachteil, dass die Planung von Terminen schwieriger ist. Das kann gerade für termingetriebene Unternehmen wie SEO-Agenturen zum Problem werden. Dennoch gibt es Möglichkeiten, wie man die Vorteile agiler Entwicklung und klassischen Projektmanagements unter einen Hut bringen kann.
Klassisches Projektmanagement: Genaue Planung schafft noch keine Sicherheit
Für viele sind sie ein Graus: riesige Projektpläne und Gantt-Diagramme, die man erst nach intensiver Betrachung versteht. In diesen Plänen werden Arbeitspakete, deren Dauer und Aufwand sowie die Abhängigkeiten zwischen den Arbeitspaketen möglichst genau angeordnet. Das funktioniert in der Regel nach dem Wasserfall-Prinzip: Zunächst wird das Konzept erstellt, an das sich ein technisches Konzept oder Feinkonzept anschließt. Danach folgt die Implementierung, gefolgt von einer Testphase, bis dann endlich der Livegang erfolgen kann.
Umso komplexer solche Pläne sind, desto größer ist deren Fehleranfälligkeit. Es ist also kein Zufall, dass die meisten der auf diese Weise geplanten Projekte nicht die ursprünglich geplanten Termine und den geschätzten Aufwand einhalten.
Agile Entwicklung
Demgegenüber setzt die agile Entwicklung auf kleinere Entwicklungsfortschritte. Dort werden meist nur wenige Features pro Entwicklunsgzyklus implementiert (inkrementelle Entwicklung), und zwar so, dass jeweils eine releasefähige Version erstellt und getestet werden kann. Die jeweiligen Entwicklungsfortschritte werden Inkremente genannt.
Es gibt verschiedene Varianten der agilen Entwicklung. Zwei der Populärsten sind derzeit Kanban und Scrum. Während es bei Scrum feste Iterationszyklen mit einem fest verabredeten Arbeitsvorrat gibt, die sogenannten Sprints, kennt Kanban diese nicht. Hier wird vor allem auf den sichtbaren Fortschritt der Arbeitspakete geachtet. Die meist auf Karten oder in einem Ticketsystem wie Jira abgebildeten Arbeitspakete durchlaufen in der Regel eine feste Anzahl von Bearbeitungsphasen, die zum Beispiel von "Backlog" über "Selected" und "Doing" bis hin zu "im Test" und "Live" führen können. Dabei werden die in Arbeit befindlichen Karten täglich in der Entwicklungsrunde angesprochen, um zu sehen, welche Fortschritte es gab und wo Probleme aufgetaucht sind.
Neben Kanban und Scrum gibt es außerdem noch zahlreiche Mischformen der agilen Entwicklung wie zum Beispiel Scrumban.
Ein Nachteil sowohl bei Scrum als auch bei Kanban ist die schwierigere Terminplanung, denn ein Gesamtprojektplan ist bei diesen Entwicklungsmodellen nicht vorgesehen. Bei Scrum werden einzelne Sprints geplant, bei Kanban gibt es nicht einmal das.
Ohne Termine geht es nicht
Für die meisten Unternehmen ist ein Verzicht auf verlässliche Termine kaum möglich. Das gilt insbesondere für SEOs, die an vertragliche Vereinbarungen mit ihren Kunden gebunden sind. Die Kunden erwarten, dass die zugesicherten Arbeiten im Rahmen des vereinbarten Zeitraums durchgeführt werden. Was sich natürlich nicht planen lässt, sind die Erfolge, die sich aus diesen Arbeiten ergeben, denn diese hängen von vielen externen Faktoren ab, die weder der Kunde noch der SEO beeinflussen kann (Stichwort Google-Updates).
Auch Inhouse-SEOs sehen sich oft der Notwendigkeit der Vereinbarung von Terminen gegenüber, etwa dann, wenn die belieferte Abteilung noch klassisches Projektmanagement betreibt und die Zulieferung des SEOs zu einer bestimmten Zeit erwartet.
Agile Entwicklung und Termine - passt das zusammen?
Daher stellt sich die Frage, wie die Vorteile der agilen Entwicklung mit einer zuverlässigen Terminplanung verbunden werden können. Die Erfahrung zeigt: Es funktioniert! Dazu müssen die ausführenden Personen nicht einmal ihre Arbeitsweise anpassen; notwendig ist nur eine gewisse Anpassung der Arbeitspaketeverwaltung. Dadurch wird gewährleistet, dass durch die Terminplanung keine Unruhe in das Entwicklungsteam kommt.
Um zum Beispiel auch im Rahmen von Kanban Termine planen zu können, benötigt man nur die für die Dauer das Projekts zu erwartenden Arbeitspakete (für die in weiterer Zukunft umzusetzenden Arbeitspakete nimmt man eine ungefähre Zahl an). Wichtig: Die Arbeitspakete sollten so aufgeteilt werden, dass sie alle in etwa den gleichen Umfang besitzen, also zum Beispiel zwei bis drei Personentage pro Arbeitspaket. Aus der Anzahl der Arbeitspakete lässt sich dann der zu erwartende Gesamtaufwand ermitteln.
Als weitere Größe benötigt man die Zahl und die Verfügbarkeit der Mitarbeiter, die bis zum Ende am Projekt beteiligt sein werden. Danach setzt man den ermittelten Gesamtaufwand, der sich aus der Gesamtzahl der Arbeitspakete ergibt, zu den verfügbaren Mitarbeitern ins Verhältnis, zieht Urlaubs- und Feiertage ab und erhält auf diese Weise den wahrscheinlichen Fertigstellungstermin.
Abhängigkeiten zwischen einzelnen Arbeitspaketen müssen bei dieser Berechnung nicht oder nur im Fall extern benötigter Zuarbeiten berücksichtigt werden, denn das Team soll bei der Reihenfolge der umzusetzenden Arbeitspakete möglichst flexibel sein.
Fazit: Was ist die richtige Methode im SEO-Projektmanagement?
Eine der beliebtesten Antworten in den Wirtschaftswissenschaften auf Fragen wie diese lautet: "Es kommt darauf an". Und so verhält es sich auch bei der Frage nach dem besten Entwicklungsansatz für SEO-Projekte: Je nach Inhalt und Größe des Projekts, nach Zahl der am Projekt beteiligten Mitarbeiter, der Zahl und der Art der Abhängigkeiten etc. kann sowohl das klassische Projektmanagement nach der Wasserfallmethode als auch die agile Entwicklung vorteilhaft sein. Die Erfahrung hat gezeigt, dass selbst bei agiler Entwicklung nicht auf die Vorzüge einer verlässlichen Terminplanung verzichtet werden muss - und zwar ohne, dass die Entwickler selbst dazu große Änderungen ihrer Arbeitsweise in Kauf nehmen müssen.
Gerade im SEO-Umfeld mit seinen schnell wechselnden Anforderungen dürften sich agile Entwicklungsansätze mehr und mehr durchsetzen. Bei richtiger Planung können trotzdem Vereinbarungen mit den Kunden und Auftraggebern eingegangen und eingehalten werden.
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